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Anerkennung

Aktualisiert: 22. Aug. 2023








Vor etwa 15 Jahren lebte ich in einer Nachbarschaft, durch die ich das walken lieben lernte und so wurde ich Teil einer kleinen Walking-Gruppe. Walken bereitet mit viel Freude und damals wurde ich sogar ein wenig ehrgeizig, eine gewisse Strecke in einer bestimmten Zeit zu walken. Training. Die Stadt in der ich lebte, organisierte jedes Jahr einen Städtelauf für gross und klein mit unterschiedlichen Streckenangebot. Es ging immer nur ums Joggen und in jenem Jahr wurde zum ersten Mal auch Walken angeboten. Unsere Gruppe meldete sich gemeinsam an, wir organisierten sogar ein einheitliches T-Shirt.


Wir waren aufgeregt und freudig am Start, mit unseren Nummern vor der Brust starteten wir unseren Lauf. Wir hatten abgemacht, dass jeder in seiner Schnelligkeit laufen durfte, die ihm beliebte. Überall standen Menschen an der Seite und befeuerten uns, es war herrlich, Teil dieses Events zu sein. Alles lief bestens und auf dem letzten Drittel rief mir jemand zu: Uli, du bist zurzeit die erste! Bis dahin hatte ich einfach teilgenommen, aus Spass an der Freude. Jetzt konnte ich sogar erste werden? Schoss es mir durch den Kopf. Damit hatte ich gar nicht gerechnet und wie von selbst beschleunigte sich meinen Schritt noch mehr. Nun war ich angefixt, ich wollte erste werden. Und ich wurde es auch. Whow! In einem sportlichem Wettkampf war ich noch nie erste geworden! Ich war wirklich happy und stolz und dachte, ich werde tatsächlich auf dem Treppchen stehen, auf Nummer eins.


Die Zeiten der Walker wurden zwar registriert, jedoch wurden sie nicht geehrt. Eine Siegerehrung gab es nur für die Läufer….


Peng! Jetzt war ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Siegerin und keiner bekommt es mit, es wird nicht öffentlich gemacht. Die Läufer stehen in der Zeitung und ich nicht. Ich war sehr enttäuscht. Und diese Enttäuschung überlagerte nun die vorherig gefühlte Freude am Lauf. Verrückt, oder? Was war hier passiert?


Kennst du das auch, dass du machst und tust und von anderen erwartest du, dass sie dich dafür loben, beglückwünschen und feiern? Und du, wenn diese erhoffte Reaktion dann ausbleibt, enttäuscht, betrübt, zweifelnd und fassungslos zurückbleibst?


Es ist eines meiner Lebensmuster und in die Falle, Anerkennung von aussen zu bekommen, bin ich in meinem Leben immer wieder getappt. Rückblickend stelle ich sogar fest, dass die Ereignisse gefühlt immer «schlimmer» wurden zu ertragen, in denen ich ent-täuscht wurde. So, als wenn das Leben mir sagen möchte: merkst du denn immer noch nicht, worum es geht?


Anerkennung von aussen zu erhalten und zu wollen hat immer etwas mit dem fehlenden Selbst-Wert zu tun. Wir erhoffen Liebe, Anerkennung und Wertschätzng von aussen, wir wollen gesehen werden, indem wie wir sind oder was wir tun. Das Bedürfnis nach Anerkennung ist eines der Grund Bedürfnisse der Menschen, wir wollen gesagt und gezeigt bekommen, dass wir dazugehören. So tun wir sogar Dinge, um dazuzugehören – auch wenn uns diese Dinge selber oft gar nicht gut tun.


«Du sagst auch immer nur etwas, wenn es was zu beanstanden gibt.» «Wenn ich nichts sage, heisst das: ich bin zufrieden». Kommt dir das bekannt vor? Bestärken wir einander tatsächlich, indem wir nichts sagen und kann dann der andere davon ausgehen, dass alles gut ist?


Einem Kind, welches Laufen lernt fällt es, denke ich, leichter es zu lernen, weil es von aussen bestärkt wird, es immer wieder zu versuchen. Der Antrieb, Laufen lernen zu wollen, kommt natürlich von innen. Es will das können, was alle um es herum auch können. Sich aufrecht vorwärtsbewegen. Wir stehen daneben und jubeln und freuen uns. In seinem Gehirn wird dieses Neu-Erlernen als etwas Schönes abgespeichert, etwas, das anderen Freude bereitet und sich selbst bestärkt, weiterzumachen. Es zu schaffen. Die anderen würdigen seine Anstrengungen.


Das, was ich bei der Arbeit erlebe, habe ich jahrelang nicht anders gemacht. Wie oft habe ich meinen Kindern wirklich gesagt: Hey, du bist wertvoll so wie du bist? Danke, dass du mir geholfen hast! Du machst das grossartig. Ich schätze deine Zuverlässigkeit sehr. Wie oft bin auch ich der Selbstverständlichkeit unterlegen, und habe nicht bewusst den Fokus darauf gelegt, was automatisch, so nebenbei oder gezielt gesagt oder getan wurde. Und wofür ich ein Dankeschön oder wertschätzendes Wort hätte geben können.


In der Schule meines jüngsten Sohnes wurden wunderschöne Dinge angefertigt und ich habe eine wunderbare Sammlung an gestricktem, genähten, gemalten und aus Holz gefertigten Dingen. Für ihn waren diese Tätigkeiten herausfordernd und ich fand es immer grossartig, dass er mitmachte und alles gab, um zu lernen. Eines Tages sollte er häkeln und er ist schier verzweifelt. Ich war geschockt, dass er weinte, weil er es nicht so schön hinbekam, wie es erwartet wurde. Unter welchem Druck stand denn mein Kind?

Etwas perfekt machen zu wollen, damit uns die Lehrer eine gute Note geben. Hinter diesem perfekt sein zu wollen steckt immer der Zweifel nicht zu genügen, nicht geliebt zu werden, so wie man ist. Wenn es uns scheinbar nicht gelingt, perfekt zu sein, also zu scheitern, verurteilen wir uns dafür, denn wir haben ja gelernt, nur die schönsten, besten, schnellsten und der Perfektion am nächsten kommenden werden gelobt, gesehen und bekommen einen Preis oder eine gute Note.


Mein Standardsatz wurde: Eine Note sagt nichts über deinen wahren Wert aus. Ich liebe dich weil du so bist wie du bist und nicht, weil du gut häkeln kannst. Deine Talente zeigen sich in anderen Bereichen und die sind von hohem Wert. Du kannst nämlich z.B. zuhören, du schlichtest Streitereien und du stehst für deine Freunde ein.


Diesen Satz hätte auch meine Tochter gebraucht. Aber damals vor über 20 Jahren war auch ich noch der Ansicht: wenn du eine schlechte Note in Mathe hast, ist dein Zeugnis gefährdet. Und wenn dein Zeugnis gefährdet ist, ist deine Zukunft gefährdet. Mir war gar nicht bewusst, was ich in ihr anrichtete, denn nicht gut sein in Mathe entwickelte sich zu einem: Ich bin nicht gut genug. Ich bin nicht wertvoll. Ich bin in Zukunft gefährdet.


Auch in mir schwingt noch dieser Satz. Denn auch ich wurde so erzogen und erlebte in meinem Umfeld: Gute Noten führen zu einem guten Schulabschluss. Dieser in eine gute Ausbildung oder Studium und dein Weg in ein erfolgreiches Leben steht dir offen.


Eine Mutter ist im Idealfall die erste Person, die den Wert «ihres» Kindes wahrnimmt, fühlt und entsprechend stärken kann. Wenn diese Anerkennung seines Wertes als Mensch in der Kindheit ausbleibt oder durch ein Ereignis erschüttert wird, ist es eine Herausforderung für das Kind, diesen in sich wieder zu aktivieren. Auf allen Ebenen, ihn nicht nur im Herzen spüren, sondern auch im Körper.


Das Leben wird uns immer wieder durch Aufgaben prüfen, ob wir etwas tun, um anderen zu gefallen und auf deren Anerkennung hoffen. Oder ob wir etwas tun, weil es uns erfüllt und zufrieden macht.


Erst wenn ich nichts mehr von anderen erwarte und auf deren Anerkennung hoffe, denn auch für die anderen ist es enorm anstrengend, dieser, meiner Erwartung ständig nachzukommen.


Erst wenn ich wirklich in dem aufgehe, was ich tue, präsent bin und mich in der Handlung verliere und darin die Erfüllung wahrnehme und fühle.


Erst dann bin ich wirklich frei von anderen Meinungen, Anerkennung und Lob. Weil es aus mir heraus entsteht und mich nährt.


Erst dann steht mir der Weg offen für ein erfolgreiches Leben. Wenn Handeln aus der Liebe heraus erfolgt. Die Liebe, die so reich in mir vorhanden ist und die von jedem einzelnen entdeckt und erlebt werden möchte. Für mich ist jeder Moment ein Erfolg, indem mir genau das gelingt.


Liebe kann nur wirken und sich entfalten, wenn sie nicht an Bedingungen und Erwartungen geknüpft ist. Durch meine Kinder habe ich gelernt, Erwartungen an sie fallen zu lassen, weil ich sie unbedingt so annehmen und lieben wollte, wie sie sind. Zu Lieben ist also auch eine Entscheidung. Durch meine Kinder lerne ich, meine Erwartungen an mich fallen zu lassen, weil ich mich unbedingt so lieben möchte, wie ich sie liebe. Nämlich so, wie ich bin.





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